Disqualifikation in der Akquise!

Harald Henkel / Werner Berghaus

Verkaufen 2.0 funktioniert auch in der Akquise. Der Makler spart sich viel Arbeit und schont seine Nerven. Wird Kaltakquise demnächst vergnügungssteuerpflichtig?

Viele Jahre dominierte bei der Trennung der Interessentenspreu vom Weizen das Prinzip der Interessenten-Qualifizierung. Jedoch gewinnt die genau das Gegenteil verfolgende Disqualifizierungsstrategie mehr und mehr Anhänger. Auch Maklerkollege Andreas Kischkel arbeitet mit diesem Ansatz. Erfahren Sie, wie er diese Methode umgesetzt hat.

Der Grundsatz der Disqualifizierung ist simpel, aber sehr effektiv. Während der Verkäufer bei der herkömmlichen Qualifizierung versucht, anhand gezielter Fragen dem Interessenten ein „Ja“ zu entlocken, zielt der Makler bei der Disqualifizierung lieber aufs „Nein“. Beispielsweise wird mehrfache Kritik von Kaufinteressenten bei der Besichtigung gerne mit der Frage gekontert, ob man sich vielleicht in der falschen Immobilie befände. „Echte“ Kaufinteressenten werden sich dann, so die Annahme, gegen diesen Versuch der Aussortierung aus dem Verkaufsprozess zur Wehr setzen und dem Makler widersprechen. Während das klassische Verkaufen stets bemüht ist, in jedem Interessenten „das Gute zu sehen“, nämlich mögliche Kaufsignale zu orten (Qualifizieren), sortiert die Disqualifizierungsstrategie ungeeignete Kandidaten schnell aus, um mehr Zeit für die echten Kaufinteressenten zu gewinnen. Es zählen Geschwindigkeit und die Häufigkeit der Kontakte.

Die Gefahr, irrtümlich einen „Unschuldigen“ aus dem Verkaufsprozess zu entfernen, sei nicht gegeben, so jedenfalls die These des Buches „High Probability Selling“ („Verkaufen mit hoher Wahrscheinlichkeit“) von Jaques Werth. Nachdem dieser Titel im IMMOBILIEN-PROFI Nr. 51 vorgestellt wurde, war die Resonanz der Maklerkollegen so überschwänglich, als hätte man schon lange auf dieses Verkaufskonzept gewartet. „Disqualifizierung statt Überreden“ wurde zudem zu einem wichtigen Baustein im System Makeln21 und half etliche „offene Baustellen“ zu schließen. Aber bislang hat sich noch kaum jemand getraut, dieses Filtern und Aussortieren auch in der Akquise einzusetzen. Die Gründe sind einleuchtend, denn „High Probability Selling“ behandelt lediglich das Verkaufen im B2B*-Bereich und hier gelten andere Regeln: Im B2B darf man davon ausgehen, dass beide Parteien, Käufer wie Verkäufer, das Produkt und dessen Eigenschaften weitgehend kennen. Fehlt diese Kenntnis, muss der Verkäufer nachbessern, um dann wieder Entscheidungen, auch ein „Nein“, einzufordern. In B2C-Verkauf (Business-to-Customer) ist dies meist nicht gegeben, erst recht nicht in der Akquise von Vermittlungsaufträgen, wo C, also der Konsument keinerlei Vorstellung hat, was der Makler anbietet und noch weniger, wie die spätere Dienstleistung ausfällt.

Gleichzeitig werden verkaufswillige Eigentümer derzeit immer rarer und so steuern Makler lieber den Termin beim Eigentümer an und verzichten auf die Disqualifikation, selbst bei offensichtlich ungeeigneten Interessenten. „Bei den wenigen Akquise-Chancen, die ich habe, nehme ich lieber jeden möglichen Termin wahr“, so ein Teilnehmer eines Workshops, der sich eigentlich mit der Disqualifikation beschäftigen sollte. Es bleibt also das Prinzip Hoffnung, auch wenn es offensichtlich eher Zeit und Geld kostet.

Makler Andreas Kischkel in Dinslaken bildet hier die Ausnahme. Er hat die Disqualifizierungsstrategie in der Akquise für die schnelle und kostengünstige Filterung von „echten“ Auftraggebern implementiert und genießt eine höhere Kontaktrate bei deutlich weniger Aufwand pro Kontakt. „Wir sind dazu übergegangen, direkt bei der telefonischen Kaltakquise den Kunden so anzusprechen, dass wir gerne die Vermarktung für ihn übernehmen möchten. Dabei haben wir auf die von den Kollegen oft benutzten argumentativen Umwege („Wir haben da einen Interessenten für Sie“ … und dergleichen) von vornherein verzichtet. Vorläufiges Ergebnis: Von denjenigen Eigentümern, mit denen ein Ersttermin vereinbart wird, geben uns nahezu 100 Prozent einen Alleinauftrag.“, erläutert Andreas Kischkel einen Eckpfeiler seines Disqualifizierungskonzepts. Viele Privatanbieter werden zum Zeitpunkt des telefonischen Erstkontakts entweder komplett herausgefiltert, beziehungsweise in die Wiedervorlage geschoben. Die dafür notwendigen Kriterien liefern die Antworten des Verkäufers auf die nach einem standardisierten Gesprächsleitfaden gestellten (Dis-)Qualifizierungsfragen.

Mögliche Ausschlusskriterien sind zum Beispiel Aussagen wie „Rufen Sie mich nicht mehr an“ oder „Wir haben bereits verkauft“. Dabei hat der Gesprächsleitfaden einen eher defensiven Grundton: Nicht der Makler versucht sich beim Verkäufer durch illusorische Versprechungen bezüglich des Preises oder der Vielzahl an vorhandenen Interessenten für den Auftrag zu qualifizieren, sondern die Akquisekraft dreht den Spieß gewissermaßen um: Bestimmte „Signalaussagen“ führen dann im Ergebnis zur bereits oben erwähnten Splittung der Verkäufer in die drei Gruppen „Ersttermin“, „Nachfasskandidat“ oder eben auch „Abbruch“.

„Das setzt allerdings einen kompletten Wechsel der Perspektive voraus“, beschreibt Andreas Kischkel den dafür notwendigen inneren Einstellungswechsel seitens der Akquisekräfte. Denn diese müssen nach der Disqualifizierungsmethode nicht mehr „auf Teufel komm raus“ einen Termin vereinbaren, sondern vielmehr handfeste Kriterien erkennen, welche die Wahrscheinlichkeit, mit diesem Verkäufer einen Auftrag abzuschließen, belegen – oder nicht.

Denn Kischkel sieht gute Gründe für die Filterung: „Der Kern ist doch der: Wenn wir jedem Auftrag hinterherlaufen und jedem noch so vermarktungsschädigenden Sonderwunsch des Kunden, der sich ja meistens einen viel zu hohen Verkaufspreis erhofft, nachkommen, dann haben wir zwar möglicherweise einen Auftrag mehr. Aber diesen Auftrag bezahlen wir letztendlich teuer: Zum einen ist es mühsam, nervenaufreibend und kostenintensiv, mit einem Kunden zu arbeiten, der noch immer einen inneren Widerstand gegen den Makler aufrecht hält. Zum anderen sinkt mit steigender Anzahl derjenigen Objekte, die dann schließlich zu Ladenhütern werden oder gar zurückgegeben werden müssen, zwangsläufig die Reputation des Maklers“, fasst Kischkel das Dilemma der klassischen Akquise zusammen. Die Disqualifikation der Privatanbieter liefert Kischkel nun qualifizierte Leads, das heißt, Termine mit Eigentümern, die eine Zusammenarbeit mit Kischkel Immobilien zumindest in Erwägung ziehen. Hier hat Kischkel nun einen weiteren (vermeintlichen) Filter installiert. Die Ersttermine finden generell im Maklerbüro statt. Ab jetzt liegt die ermittelte Erfolgsquote bei annähernd 100 Prozent und Kischkel kann seine Zeit und Energie jetzt guten Gewissens in einen Interessenten investieren, der mit sehr hoher Sicherheit zum Auftraggeber wird.

Auch hier hat Kischkel ein eher ungewöhnliches Element in die Kundengewinnung implementiert: Prinzipiell vermeidet er es, im Erstgespräch über irgendwelche Informationen zum Objekt zu verfügen. Kischkel kennt weder das Objekt, noch dessen Adresse oder den Angebotspreis der Privatanbieter. Es geht zunächst um den Menschen und erst später ums Objekt. „Ich will neutral sein und mich nicht durch eventuelle Besonderheiten des Objekts zu Zugeständnissen hinreißen lassen“, erläutert Kischkel die Hintergründe.

Ein Auftrag wird im Ersttermin sowieso nicht unterzeichnet. Vielmehr geht es darum, dass das Unternehmen seinen Leistungskatalog vorstellt und dem Besucher einen klar strukturierten Ablaufplan über das weitere Vorgehen an die Hand gibt. Dabei werden Ausstiegspunkte für den Eigentümer ebenso deutlich gemacht wie die in der jeweiligen Phase anfallenden Kosten. Auch ein wichtiger Punkt: Kischkel distanziert sich klar von den Preisvorstellungen der Eigentümer. „Es interessiert mich nicht, was Sie haben wollen, sondern was Sie bekommen werden“, lautet ein Standardspruch. Maßgeblich für den Angebotspreis ist allein die anschließende Wertermittlung, unterstützt durch die Wettbewerbsanalyse.

Zunächst entstehen natürlich keine Kosten für den Interessenten. Im Anschluss an den Bürotermin folgt, wenn der dies erklärtermaßen wünscht, ein Außentermin. Bei diesem Treffen hält der Verkäufer die für ein Exposé und eine Wertermittlung notwendigen Unterlagen bereit. Im Rahmen des dritten Termins, der wiederum im Büro des Maklers stattfindet (wenn der Kunde sich dafür entscheidet), erhält der Verkäufer eine Marktwertermittlung sowie eine Wettbewerbsanalyse zu seiner Immobilie. Dabei bleibt die gesamte Akquise weiterhin defensiv. Erkennt Kischkel beispielsweise, dass zwischen dem ermittelten Angebotspreis und den Vorstellungen der Eigentümer eine große Lücke klafft, gibt er dies telefonisch vor dem Dritt-Termin bekannt und bietet an, den Termin eventuell zu stornieren – aber dazu kommt es dann eben doch nicht mehr.

„Vorläufiges Ergebnis: Von denjenigen Eigentümern, mit denen ein Ersttermin vereinbart wird, geben nahezu 100 Prozent einen Alleinauftrag.“

Nahezu alle potenziellen Auftraggeber unterschreiben, sofern sie den Ersttermin wahrgenommen haben, schließlich auch einen qualifizierten Alleinauftrag bei Andreas Kischkel, denn sie wurden von Anfang an präzise über die Arbeitsweise des Maklers, den Ablauf des Qualifizierungsprozesses sowie die zu erwartenden Kosten informiert. Die Vermeidung von Druck zahlt sich aus: Der Kunde weiß, woran er ist und fühlt sich sicher im Umgang mit dem Makler, weil ihm mehrfach Ausstiegs-Szenarien vorgeschlagen wurden. Dies vermittelt ihm das Gefühl der Kontrolle.

Für Andreas Kischkel bedeutet es eine deutliche Straffung seiner Arbeitsabläufe, denn seine Akquisekräfte müssen sich nicht mehr der Hoffnungsmakelei hingeben und arbeiten dadurch selbstsicherer, entspannter und mit so viel Spaß im Bereich der Akquise, wie es sich der Makler mit dem alten System nicht hätte träumen lassen.

Andreas Kischkel, der beide Akquisemethoden kennt, urteilt eindeutig: „Nachdem wir aufgrund drastisch zurückgehender Termine zunächst das „alte“ System der Qualifizierung wiedereingeführt hatten, haben wir keinen Auftrag zusätzlich bekommen, dafür aber deutlich mehr Arbeit und Stress. Wir haben dann schnell wieder auf die Disqualifizierungsstrategie umgestellt“.

Diese verlangt zwar eine regelmäßige Schulung der Akquisekräfte, zahlt sich aber langfristig aus: „Denn einerseits kommen so gut wie nur noch Menschen, die wirklich mit uns arbeiten wollen und uns nicht nur als kostenlosen Dienstleister betrachten, zum anderen ist unser Umsatz in den letzten drei Jahren gestiegen – und das bei nur noch einem Drittel der Termine mit Verkäufern und Käufern“, freut sich Kischkel. Abschließend verdeutlicht ein kleines Detail am Rande den Vorteil der defensiven Akquise: Kischkels Mitarbeiterin, die heute für die Kaltakquise zuständig ist, hatte sich bereits beim Einstellungsgespräch vehement dagegen gewehrt, telefonisch „Klinken zu putzen“, Kischkel versuchte es trotzdem mit ihr und trainierte die Kunden- und Mitarbeiterschonende Gesprächsführung. Heute nun, nach vielen erfolgreichen Akquisetelefonaten, fragt die gleiche Mitarbeiterin an, ob es nicht möglich sei, ausschließlich Kalt-Akquise zu machen.

IN MEDIAS RES:

High Probability Selling“ („Verkaufen mit hoher Wahrscheinlichkeit“) von Jaques Werth zeigt, dass modernes Verkaufen heute völlig anders funktioniert und auf Überzeugen und Überreden verzichten kann und gleichzeitig eine höhere Erfolgsquote bietet. Der moderne Verkäufer zielt aufs „Nein“, während das konventionelle Verkaufen aufs „Ja“ drängt. Endlich konnte nun dargestellt werden, dass dieses „gewaltfreie Verkaufen“ auch in der Akquise funktioniert.


Dieser Artikel erschien erstmals in der Ausgabe IMMOBILIEN-PROFI Nr. Spezial - jetzt entdecken!

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