Systematics (9): Strukturen

Wie Sie Mitarbeiter dazu bewegen, das zu tun, was Sie von Ihnen wollen?

Die -Artikelreihe beschreibt welche Systeme Sie in Ihrem Unternehmen implementieren sollten, um ein möglichst optimal funktionierendes Unternehmen zu erschaffen. In den bisherigen Artikeln haben wir uns dabei auf die Systeme konzentriert, die die wesentlichen Prozesse des -Prozessmodells unterstützen. Jedes System erfüllt ein definiertes Ziel und besteht aus Abläufen (Prozessen), die zu dokumentieren sind, und Hilfsmitteln, die die Durchführung der Aktivitäten innerhalb der Prozesse unterstützten und erleichtern. Typische Hilfsmittel sind Checklisten, Gesprächsleitfäden, Dokumentvorlagen, Präsentations- und Verkaufshilfen oder speziell angepasste Softwareprogramme, die beispielsweise bestimmte Teile eines Prozesses abbilden oder automatisieren.

Wenn man damit beginnt, sein Unternehmen zu systematisieren, dann bedeutet das zumindest in der Anfangsphase zusätzlichen Aufwand, der erfahrungsgemäß erst nach ca. 3-12 Monaten messbare Erfolge zeigt. Dieses Prinzip der späten Erfüllung ist von wesentlicher Bedeutung, denn schließlich betreibt man diesen Aufwand, um zukünftig mehr Lebensqualität und Freiheit zu erzielen. In diesem Artikel befassen wir uns mit der Frage, wie man Mitarbeiter mit System dazu bringt, das zu tun, was man von Ihnen erwartet.

Der Weg des geringsten Widerstands

Betrachtet man die üblichen Reaktionsmuster von Menschen, so kann man diese in den folgenden drei Prinzipien zusammenfassen:

  • Prinzip 1: Sie versuchen unangenehme Gefühle und Schmerzen möglichst zu vermeiden
  • Prinzip 2: Sie versuchen angenehme Gefühle und Freude zu erreichen
  • Prinzip 3: In allen anderen Fällen gehen Sie den Weg des geringsten Widerstands, d.h. sie wählen situativ das Verhalten, das am wenigsten Energie erfordert und daher meist die bequemste Variante darstellt.

Wenn ein Mensch einen kurzfristig unangenehmen Weg wählt (wie beispielsweise der Unternehmer, der große Mühen auf sich nimmt, um das Unternehmen zu systematisieren), dann liegt dies daran, dass man eine Perspektive entwickelt hat, die für die Zukunft mit angenehmen Gefühle belohnt. Da zumindest der größte Teil unserer Arbeitszeit nicht durch Situationen großer Freude oder großen Schmerzes geprägt ist, kann man davon ausgehen, dass der typische Mitarbeiter nahezu ständig auf dem Weg des geringsten Widerstands unterwegs ist.

Alltagssituationen

Und wie sieht dieser Weg des geringsten Widerstandes üblicherweise aus? In den meisten Büros begegnet man der folgenden Situation: Der Mitarbeiter kommt zur Arbeit und hat keine detaillierten Vorgaben, was zu tun ist. Es bleibt ihm zunächst selbst überlassen, wie er den Tag beginnt. Selbstverständlich ist es angenehm, wenn man den Tag zunächst mit einer Tasse Kaffee oder einer Zigarette beginnt, um derweil den PC einzuschalten und zu schauen, ob es interessante Neuigkeiten gibt. Zunächst werden die E-Mails beantwortet, die bequem zu bearbeiten sind und schließlich diejenigen, welche zu späteren unangenehmen Gefühlen führen könnten, wenn man sie unbeantwortet lässt.

Schließlich stellt sich die Frage, was als nächstes zu tun ist? Man kann sich den allgemeinen Gesprächen im Büro anschließen, sich eine Beschäftigung suchen, die kurzfristig Freude verspricht oder zumindest beschäftigt tun, um keine weiteren Diskussionen mit dem Vorgesetzten führen zu müssen. Das typische Bild in solchen Unternehmen sind Mitarbeiter, die permanent beschäftigt sind und meist (mit dem Blick auf den Bildschirm konzentriert) nonverbal die Botschaft ausstrahlen „Bitte nicht stören! Ich bin wie immer sehr beschäftigt, habe kaum Zeit und bin eigentlich überlastet!“ Dieses Verhalten spiegelt führt nämlich schnell dazu, dass die Bequemlichkeit erhöht wird, weil es dem Vorgesetzten unangenehm ist nach Ergebnissen zu fragen (schließlich ist der Mitarbeiter sichtlich beschäftigt) oder neue Anforderungen zu stellen (was bei überlasteten Mitarbeitern nur ein schlechtes Gewissen verursachen würde). Beides bedeutet für den Vorgesetzen negative Gefühle, die er liebe vermeidet! Denn auch der Vorgesetzte geht gerne den Weg des geringsten Widerstands und beschwichtigt seinen seltsamen Eindruck mit der Aussage „Die Leute tun ihr Bestes und schließlich arbeiten sie doch alle konzentriert“.

Maßnahmen

Beitrag aus Heft 56 / 2009
Beitrag aus Heft 56 / 2009

Halten wir einen Moment inne und überlegen uns, was in der gerade beschriebenen Situation schief läuft? Was können wir tun, damit die Mitarbeiter mehr an Ergebnissen interessiert sind als an angenehmen Gefühlen und geringem Energieaufwand? Betrachten wir die ersten beiden Prinzipien, so fallen uns automatisch zwei Vorgehensweisen ein:

Prinzip 1 (Schmerz vermeiden): Sanktionen und Strafen! Wir bestrafen die Mitarbeiter einfach für unerwünschtes Verhalten. Dies wird zum Beispiel durch Gehaltsreduktionen, unangenehme Gespräche, Befehle oder dem Entzug von geliebten Aufgaben erreicht. Außerdem kann man Mitarbeiter unangenehme Aufgaben erledigen lassen oder in Aussicht gestellte Beförderungen nicht durchführen. In letzter Konsequenz bilden Abmahnungen, Versetzungen und Kündigungen die höchste Stufe in der Kette der Bestrafung.

Prinzip 2 (Freude anstreben): Hat man eine etwas freundlichere Auffassung von Führung und entsprechende Möglichkeiten, versucht man das Prinzip Nr. 2 zu nutzen, indem man Belohnungen für erwünschtes Verhalten in Aussicht stellt und diese großzügig verteilt. Die billigste Variante ist sicherlich das gezielte Lob aus der Position der Autorität. Wer durch den Vorgesetzten vor der Gruppe gelobt wird erhält Anerkennung, Respekt und Neid. Verfügt man über finanzielle Mittel, kann man großzügig Prämien, (Verkaufs-)Provisionen und Statussymbole (neues Handy, Laptop, Firmenwagen) verteilen. Um die ganze Gruppe bei Laune zu halten ist es schließlich möglich, teure Incentives, wie Reisen und Abenteuerurlaub zu veranstalten oder Motivationstrainings zu besuchen, bei denen die ganze Gruppe lauthals „Hurra“ schreit und sich alle gegenseitig auf die Schulter klopfen. Denn eines wissen alle schon seit langem „Wir sind die Größten!“.

Sicher! Die oben beschriebenen Methoden zeigen durchaus kurzfristige Erfolge aber langfristig sind die Konsequenzen problematisch. Strafen müssen immer härter werden und man verliert schnell an Glaubwürdigkeit, wenn man die angekündigten Register nicht zieht. Außerdem muss man bei aller Härte immer fair und berechenbar bleiben (ansonsten bringt man schnell die gesamte Gruppe gegen sich auf), was eine hohe Selbstdisziplin beim Unternehmer voraussetzt. Um dem möglichen Gegendruck durch die Gruppe standzuhalten, wird die Notwendigkeit für Sanktionen gerne auf äußere Faktoren geschoben (Stichwort: Finanzkrise! „Jetzt müssen alle den Gürtel enger schnallen und nur die Besten haben eine Chance“) und das negative Betriebsklima wird auf die allgemeine Situation geschoben („In anderen Unternehmen geht es den Leuten doch noch viel schlechter!“).

Belohnungen sind häufig kostspielig (und daher im Hinblick auf den erzielbaren finanziellen Gewinn durch die mögliche Mehrleistung fraglich) und sie verursachen eine hohe Erwartungshaltung für die Zukunft. Belohnungen können also dazu führen, dass der Unternehmer plötzlich einem Erwartungsdruck durch die Gruppe ausgesetzt wird, den er nicht mehr befriedigen kann.

Wie bewegen wir also die Mitarbeiter dazu, dass zu tun, was wir von Ihnen wollen? Die Antwort lautet: Mit den Methoden von Strafe und Belohnung überhaupt nicht! Wir können Sie nur durch ein ausgeklügeltes und permanent wirksames System von Strafe und Belohnung dazu veranlassen möglichst das zu vermeiden, was am wenigsten erwünscht ist.

Strukturen

Wenn Strafe und Belohnung keine dauerhaften Erfolge zeigen und außerdem ein permanent wirksames System erfordern, das üblicherweise eine mentale Dauerbelastung für den Vorgesetzten bedeutet, was können wir stattdessen tun? Wir können diese Frage beantworten, indem wir uns anschauen, was passiert, wenn wir zunächst überhaupt nichts tun. Wenn Strafe und Belohnung von der Führung nicht eingesetzt werden, bilden sich selbständig Verhaltensregeln unter den Mitarbeitern aus, die hauptsächlich vom Weg des geringsten Widerstands geprägt sind: Man tun, was gerade anliegt und was bequem ist. Meistens verhält man sich wie alle anderen Mitglieder in der Gruppe und findet im Rahmen der eigenen Bequemlichkeit und Veranlagung eine Arbeitsweise, die es einem ermöglichst mit möglichst wenig Anstrengung und maximaler Befriedigung durch den Tag zu gehen.

Der maßgebliche Einflussfaktor, der bestimmt wie diese Arbeitsweise in der jeweiligen Firma aussieht, besteht in externen Einflussfaktoren wie (meist ungeschriebene) Regeln der Zusammenarbeit, der Anzahl von Kundenanfragen und den Kollegen. Meist reagiert man auf äußere Umstände und sucht stets das Vorgehen, das eben das Optimum zwischen den obigen drei Prinzipien darstellt. Wir wollen diese externen Einflussfaktoren von nun an Struktur nennen. Der Begriff der Struktur ist folgendermaßen definiert:

Unter Struktur versteht man das Muster von Systemelementen und ihrer Wirk-Beziehungen (Relationen) untereinander, also die Art und Weise, wie die Elemente eines Systems aufeinander bezogen sind (durch Beziehungen „verbunden“ sind), so dass ein System bzw. Organismus funktioniert (entsteht und sich erhält). (Quelle: Wikipedia)

Und genau diese Definition enthält auch schon die Antwort auf die Frage was wir tun können! Die Struktur bestimmt nämlich dauerhaft und mehr als alles andere, wie sich ein System verhält und wie der Weg des geringsten Widerstands verläuft. Mitarbeiter werden immer wieder diesen Weg suchen und die Struktur bestimmt diesen Weg maßgeblich. Jede Anstrengung gegen diese Struktur ist auf Dauer erfolglos, denn nichts ist stärker und dauerhafter wirksam. Systeme (Unternehmen) organisieren und erhalten sich durch Strukturen! Jede Firma – auch ihre – muss also eine Struktur ausbilden, damit sie überhaupt funktionieren kann. Ist diese Struktur optimal entsteht Erfolg, ist die Struktur schwach, entsteht Misserfolg. Und dann bringen alle Maßnahmen wie Motivationsveranstaltungen, Incentives, Provisionen, Beteiligungsversuche, Bestechungsversuche, Überredungskünste, Wettbewerbe, , Ausbildungen, Feiern, psychologische Betreuung, Bestrafungen, Geschenke, Gehaltserhöhungen, Beschimpfungen oder Jammern rein gar nichts. Kennt man das Prinzip der Strukturen nicht, wird man schließlich das Problem bei den Mitarbeitern oder sich selbst suchen. Je nach Fundort begibt sich nun der Mitarbeiter oder der Unternehmer in Therapie, um schließlich – wenn auch dies erfolglos ist – einzusehen, dass man als Verkäufer oder Unternehmer nichts taugt und man endlich einsehen sollte, dass die eigenen Ansprüche zu hoch sind und man eben doch nur unterdurchschnittlich begabt ist und man eben nicht mehr erreichen kann.

Dieses Ergebnis ist nichts anderes als die Folge der permanenten Anstrengungen gegen das Prinzip des geringsten Widerstands, denn alle Anstrengungen die diesem Prinzip zuwiderlaufen sind letztendlich zum Scheitern verurteilt.

Unternehmer müssen also mehr als andere darauf konzentriert sein, die richtigen Strukturen in Ihren Unternehmen zu erschaffen. Strukturen die willkürlich entstehen bergen die große Gefahr, dass die geschäftlichen Ziele nicht auf dem Weg des geringsten Widerstands liegen. Daher erschaffen Sie Ihre Wunschstrukturen selbst.

Die Umsetzung

Die Erschaffung von geeigneten Strukturen erscheint zunächst kompliziert, weil das Konzept für die meisten Unternehmer etwas Neues ist, mit dem man sich erst einmal vertraut machen muss. Betrachtet man erfolgreiche Unternehmen, so wird man deren Struktur nicht sofort erkennen, da sich die Struktur mehr an Ihrer Wirkung als an Ihren Strukturelementen zeigt. Das Offensichtliche (z.B. motivierte Mitarbeiter, die sich weiterbilden oder repräsentative Büroräume) ist nicht das, was wirksam ist. Stattdessen sind offensichtliche Dinge häufig nur die Folge der zugrunde liegenden Struktur. Die entscheidende Frage ist daher „Was bewirkt, dass dieses Ergebnis entsteht?“ Wenn Sie ein Unternehmen sehen, bei dem die Mitarbeiter bei freier Zeiteinteilung regelmäßig bis 22 Uhr arbeiten, betrachten Sie also nicht die freie Zeiteinteilung als die Ursache für das Verhalten. Suchen Sie stattdessen nach den Gründen, die ein Mitarbeiter hat, in dieser Firma so lange zu arbeiten. Diese Gründe sind die Antwort auf Ihre Frage. Wenn die Gründe Ihnen gefallen, schaffen Sie in Ihrem Unternehmen die gleichen Voraussetzungen (Strukturen), damit auch Ihre Mitarbeiter zukünftig dieses Verhalten zeigen.

Systematics (8) Autor: (c) 2008