Neue Informationspflichten für Unternehmer

Dr. Harald Schneider ist Fachanwalt für Informationstechnologierecht und im Vorstand des IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. (kurz IDO-Verband). Der IMMOBILIEN-PROFI hat ihn zu den kommenden Informationspflichten für Unternehmer befragt.

IMMOBILIEN-PROFI: Auf welcher Rechtsgrundlage ergeben sich die seit dem 01.02.2017 hinzu gekommenen Informationspflicht und an wen richten sich diese?
Dr. Harald Schneider: Ab dem 01.02.2017 gelten für alle Unternehmer, die auch Geschäfte mit Verbrauchern abschließen und eine Webseite und / oder AGB unterhalten, neue Informationspflichten. Diese ergeben sich aus den §§ 36 und 37 Verbraucherstreitbeilegungsgesetz, Kurzbezeichnung: VSBG. Diese gelten grundsätzlich für alle Unternehmer. Sinn und Zweck ist es, das Verbraucherstreitbeilegungsverfahren als weiteren Weg neben dem gerichtlichen Verfahren, das für den Verbraucher häufig teurer ist, bekannt zu machen.
IP: Sie erwähnen „grundsätzlich“. Sind Immobilienmakler generell davon erfasst oder gibt es Ausnahmen?
HS: Auch Immobilienmakler sind als Unternehmer verpflichtet, die neuen Informationspflichten, die als Umsetzung einer EU-Richtlinie auf uns zukommen und als eine Art „Starthilfe“ für den alternativen Weg der Streitbeilegung angesehen werden können, umzusetzen. Es gibt für alle Unternehmer allerdings eine Ausnahmeregelung, die mit der Größe des Betriebes zusammenhängt.
IP: Der Bestandteil „Verbraucher“ in der Gesetzesbezeichnung beschränkt den Bereich der Schlichtung auch nur auf Verbraucher?
HS: Ja, das ist richtig. Die gesetzlichen Vorschriften im VSBG befassen sich mit dem Streitverhältnis eines Unternehmers zu einem Verbraucher. B2B- oder C2C– Streitfälle werden damit nicht erfasst. Das schließt natürlich nicht aus, dass sich auch Unternehmer untereinander oder Verbraucher untereinander vor Schlichtungsstellen einigen, was der Entlastung der Gerichte dienen würde. Dies ist aber kein Fall, den das VSBG erfasst.
IP: Wie sieht die eben erwähnte Ausnahme betreffend die Betriebsgröße konkret aus?
HS: Für die Allgemeinen Informationspflichten aus § 36 VSBG gilt eine sog. Kleinunternehmerregelung, also eine Ausnahme von der Belehrungspflicht. Kleinunternehmer – das sind Betriebe mit bis zu 10 Beschäftigten, wobei die Kopfzahl maßgebend ist, – sind grundsätzlich nicht zur Veröffentlichung der Allgemeinen Informationen (§ 36 VSBG) verpflichtet. Für die bestehende und weiter gültige Pflicht, einen Link zur OS-Plattform zu veröffentlichen und auch für die nachvertragliche Informationspflicht aus § 37 VSBG gilt die Kleinunternehmer-Ausnahmeregelung nicht.
IP: Wer also keine 11 Beschäftigten oder mehr hat, muss nicht belehren?
HS: Wer unter 11 Beschäftigten bleibt, sich nicht freiwillig an der Verbraucherstreitbeilegung beteiligen möchte oder durch eine Vereinbarung mit einer Schlichtungsstelle bzw. gesetzlich verpflichtet ist, für den sind die Allgemeinen Informationen aus § 36 VSBG nicht relevant. Unabhängig von der Beschäftigtenzahl muss er allerdings weiterhin auf die OS-Plattform hinweisen und verlinken und die nachvertragliche (nachstreitliche) Informationspflicht aus § 37 VSBG beachten.
IP: Wie ist denn die Situation, wenn ein Unternehmen wächst, d.h., mehr Mitarbeiter als im Vorjahr hat. Muss man dann belehren?
HS: Für die Beurteilung, ob ein Unternehmer unter 11 Beschäftigten bleibt – und damit die Ausnahmeregelung Anwendung findet – ist immer der 31.12. des Vorjahres maßgeblich. Wenn ein Unternehmen, im vergangenen Jahr keine Belehrung erteilen musste, zum 31.12. des abgelaufenen Jahres jetzt doch mehr als 11 Beschäftigte hatte, gilt die Belehrungspflicht ab dem 01.01. des nachfolgenden Jahres.
IP: Wie sieht die Allgemeine Informationspflicht aus § 36 VSBG konkret aus?
HS: Ein Unternehmer, der eine Webseite unterhält oder Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, hat den Verbraucher leicht zugänglich, klar und verständlich in Kenntnis zu setzen davon, inwieweit er bereit ist oder verpflichtet ist, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen. Wenn sich der Unternehmer zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet hat oder wenn er aufgrund von Rechtsvorschriften zur Teilnahme verpflichtet, muss er darüber hinaus auch noch die zuständige Schlichtungsstelle, deren Anschrift und Webseite nennen.
IP: Wie sähe der konkrete Belehrungstext für einen Unternehmer aus, der 11 Beschäftigte und mehr hat und sich nicht freiwillig an der Schlichtung beteiligen möchte und auch nicht durch Zusammenarbeit mit einer Schlichtungsstelle oder gesetzlich zur Teilnahme verpflichtet ist?
HS: Er müsste leicht zugänglich, klar und verständlich folgendes mitteilen: „Wir sind zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherstreitbeilegungsstelle weder bereit noch verpflichtet.“ Klarzustellen ist nochmals, dass die Informationserteilung für die in Betracht kommenden Unternehmer eine zwingende Verpflichtung ist, diese aber in der Entscheidung, ob sie an einem Schlichtungsverfahren teilnehmen, frei sind.
IP: Wann ist die Information denn leicht zugänglich, klar und verständlich?
HS: Wer eine Webseite unterhält, kann neben den sonst üblichen Menüpunkten oder Links wie „AGB“, „Impressum“, „Versandkosten“ u. ä. einen weiteren Menüpunkt zur Verbraucherstreitschlichtung erstellen. Ferner wird der Webseitenbetreiber regelmäßig auch AGB veröffentlichen. Er kann daher seine Informationen – genau wie derjenige, der keine Webseite hat, sondern lediglich AGB unterhält, – in die AGB integrieren. Dabei sollte aber aus Gründen der Transparenz darauf geachtet werden, dass die Informationen mit einem eigenen Abschnitt und einer prägnanten, herausgestellten Überschrift, z.B. „Verbraucherstreitbeilegungsverfahren“ oder „Verbraucherschlichtung“ präsentiert werden.
IP: Was hat es mit der weiteren – von der Betriebsgröße unabhängigen – Informationspflicht, die nach einem Streit entsteht, auf sich?
HS: Die Antwort gibt § 37 Abs. 1 VSBG, der lautet: „Der Unternehmer hat den Verbraucher auf eine für ihn zuständige Verbraucherschlichtungsstelle unter Angabe von deren Anschrift und Webseite hinzuweisen, wenn die Streitigkeit über einen Verbrauchervertrag durch den Unternehmer und den Verbraucher nicht beigelegt werden konnte. Der Unternehmer gibt zugleich an, ob er zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren bei dieser Verbraucherschlichtungsstelle bereit ist oder verpflichtet ist. 3Ist der Unternehmer zur Teilnahme am Streitbeilegungsverfahren einer oder mehrerer Verbraucherschlichtungsstellen bereit oder verpflichtet, so hat er diese Stelle oder diese Stellen anzugeben.“
IP: Welche Formalien sind hier zu beachten?
HS: Nach § 37 Abs. 2 VSBG muss der Hinweis in Textform, z. B. E-Mail oder schriftlich, erfolgen. Ein telefonischer Hinweis ist also nicht ausreichend.
IP: Ist es sinnvoll, auch das in die AGB oder auf die Webseite mit aufzunehmen?
HS: Das ist überflüssig und ggf. auch irreführend. Denn die Hinweispflicht setzt erst dann ein, wenn ein Streit nicht beigelegt werden kann. Insofern kann man hier – anders als bei der Allgemeinen Informationspflicht – Formtexte nur im Rahmen des Beschwerdemanagements einsetzen.
IP: Wann ist denn der Zeitpunkt erreicht, ab dem ein Streit nicht beigelegt werden kann und wer muss das beweisen?
HS: Zu der Frage, wann ein Streit nicht beigelegt werden kann, führt das Gesetz nichts weiter aus. Insofern muss dies ggf. im Wege der Auslegung ermittelt werden. Wenn eine der Parteien definitiv die weitere Verhandlung abbricht oder wenn jemand über einen längeren Zeitraum trotz Nachfragen nicht mehr antwortet, sind die Voraussetzungen erfüllt. Der Unternehmer muss dann beweisen, dass er die Belehrung zur Verbraucherschlichtung in Textform erteilt hat. Insofern wird er grundsätzlich auch zu beweisen haben, dass diese dem Verbraucher auch zugegangen ist.
IP: Wie sähe hier der Belehrungstext bei einem Unternehmer aus, der keine Teilnahmebereitschaft hat?
HS: Der Unternehmer müsste dem Verbraucher, mit dem er den Streit nicht beilegen kann, in Textform mitteilen: „Bei Streitigkeiten mit unserem Unternehmen ist die Verbraucherstreitbeilegungsstelle … Name, Straße, Hausnummer, PLZ, Ort, www-Adresse, zuständig. Zur Teilnahme am Streitbeilegungsverfahren sind wir nicht verpflichtet und auch nicht bereit.“
IP: Wie läuft ein Verbraucherstreitbeilegungsverfahren grundsätzlich ab?
HS: Das genaue Verfahren ist in der Satzung der zuständigen Schlichtungsstelle festgelegt. Es beginnt mit einem Schlichtungsantrag einer Partei. Sind die Parteien zur Schlichtung bereit, können sie ihre jeweiligen Standpunkte darlegen. Der Schlichter wird regelmäßig einen Vorschlag unterbreiten und die Parteien versuchen, zu einer Einigung zu kommen.
IP: Welche Kosten entstehen durch ein Verbraucherstreitbeilegungsverfahren?
HS: Gemäß § 23 Abs. 2 VSBG kann die Verbraucherschlichtungsstelle von Unternehmen, die zur Teilnahme an dem Streitbeilegungsverfahren bereit oder verpflichtet sind, ein angemessenes Entgelt verlangen. Verbraucher hingegen müssen nur dann ein Entgelt zahlen, wenn der Verbraucherantrag rechtsmissbräuchlich sein sollte. In diesen Fällen beträgt das Entgelt allerdings höchstens 30,00 Euro.
IP: Gibt es für die vom Unternehmer zu tragenden Kosten eine Gebührenordnung, ähnlich wie im Gerichtsverfahren?
HS: Nein, die Höhe der Gebühren bestimmt die Schlichtungsstelle in ihrer Gebührenordnung. Z. B. sind in § 31 VSBG, der sich mit der „Universalschlichtungsstelle der Länder“ befasst, folgende Gebühren genannt, die der Unternehmer zu tragen hat:
• 190,00 Euro bei einem Streitwert bis einschließlich 100,00 Euro
• 250,00 Euro bei einem Streitwert über 100,00 Euro – einschließlich 500,00 Euro
• 300,00 Euro bei Streitwerten über 500,00 Euro – einschließlich 2.000,00 Euro
• 380,00 Euro bei Streitwerten über 2.000,00 Euro
Erkennt der Unternehmer den geltend gemachten Anspruch sofort an, ermäßigt sich die Gebühr auf 75,00 Euro.
IP: Was ergeben sich für Konsequenzen für den Unternehmer, der nicht wie gesetzlich vorgesehen belehrt?
HS: Wer nach dem 01.02.2017 erforderliche Informationen nicht veröffentlicht, handelt wettbewerbswidrig. Es ist zu vermuten, dass – wie Anfang des Jahres 2016 bei Einführung der Verpflichtung zur Setzung eines Links zur OS-Plattform – schon bald Abmahnungen und gerichtliche Wettbewerbsverfahren folgen werden. Aus diesem Grunde kann nur dringend dazu geraten werden, die neuen Verpflichtungen – soweit Sie Ihr Unternehmen betreffen – zeitgerecht umzusetzen.

 

Dr. Harald Schneider ist Fachanwalt für Informationstechnologierecht und im Vorstand des IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. (kurz IDO-Verband). Er berät Onlineunternehmen, Berufs- und Interessenverbände und große deutsche Rechtsdienstleister in rechtlichen und konzeptionellen Fragen der Nutzung des Internets und der rechtssicheren Gestaltung eines Internetauftritts, insbesondere betreffend Informationspflichten, Verbraucherrechte sowie Datenschutz.
http://www.ido-verband.de


Hinweis: Weitere Informationen, Checklisten und Muster finden Sie im Login-Bereich des IDO-Verbandes, www.ido-verband.de . Als Mitglied im Immobilienprofi haben Sie kostenlosen Zugang zu dem vorgenannten Rechtsportal.

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